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Karl Fischer (DJ5IL) schrieb am 15. September 2008 als Reaktion auf einen Kommentar von  Ingo Dittrich
(DK9MD) folgende Email, die dem DARC und seinen Distriktsvorsitzenden sowie einem Kreis von interessierten
Funkamateuren zuging:

Ingo Dittrich hatte am 10. September 2008 geschrieben:           (Anm. QSLonline: DK9MD, ist ehemaliger RTA-Vorsitzender)

"Die eigentliche Krux des Gesetzes zur Überführung der Regulations in deutsches Recht ist der §2 - Ermächtigung: denn hier wird dem BMWi vom Gesetzgeber die Ermächtigung erteilt, die einzelnen technischen Bestimmungen durch Verordnungsformulierung
und Erlass der VOen in deutsches Recht umzusetzen. Und genau das wird nach 1985 nur noch lückenhaft, z.B. mit der Frequenz- bereichsnutzungsverordnung erledigt. Die anderen wichtigen Bestimmungen der RR z.B. zum Funkschutz werden nicht mehr übernommen."  (Anm. QSLonline: "RR" = Radio Regulations, neu für VO-Funk)

Diese Betrachtungsweise zum rechtlichen Status der VO Funk, die er in seiner Email als Antwort auf meine Informationskampagne zu CISPR 22 zum Ausdruck gebracht hat, ist nachweislich falsch. Deshalb nehme ich Ingo's Äußerung als willkommenen Anlass, das Thema nochmals aufzugreifen.  Und da es sich um ein für den Amateurfunkdienst äußerst wichtiges Thema handelt, habe ich 
den Verteiler entsprechend erweitert.
Dieser Email beigefügt sind zwei Dateien:

QTCDL1.PDF:
"QTC DL" vom 24. Oktober 2007 mit dem "Annex zur Petition zum Entwurf / Kabinettsentwurf des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG)"

11K57307.PDF:
Urteil des Verwaltungsgerichts Köln, 11. Kammer, vom 15. Juni 2007, Aktenzeichen 11 K 573/07

Ich bitte zunächst, das "QTC DL" und vor allem den Annex zu meiner Petition wirklich sehr aufmerksam zu lesen. 
                                                                        
Übrigens hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages bis heute mein Petitionsverfahren noch nicht abgeschlossen. 
Auf eine diesbezügliche Anfrage wurde mir mitgeteilt, "dass die Vorbereitung der Behandlung Ihres Anliegens im Petitionsausschuss längere Zeit in Anspruch genommen hat ... Einen Termin für den Abschluss des Verfahrens vermag ich nicht in Aussicht zu stellen". Und das, obwohl das neue EMVG schon lange in Kraft ist. Ein Grund für diesen merkwürdigen Umstand ist mir vollkommen klar, denn mit dem Abschluss meines Petitionsverfahrens müßte der Petitionsausschuss auch zum Status der VO Funk Stellung nehmen. Dass man sich sehr schwer tut, in dieser Hinsicht - salopp gesagt - die Hosen runter zu lassen, ist wohl einleuchtend. Wie auch immer, ich bin auf den Abschluss des Petitionsverfahrens äußerst gespannt. Auf jeden Fall ist das EMVG zum Glück nicht so durchgekommen, wie es sich das BMWi gewünscht hat und deshalb wird auch klar, weshalb die BNetzA in puncto CISPR 22 plötzlich nachdrücklich Stellung für die Funkdienste bezieht. In einem mir vorliegenden Schreiben der Vizepräsidentin der BNetzA, Frau Dr. Henseler-Unger, an den ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V.) weist sie nämlich ausdrücklich auf die Gefährdung der Funkdienste durch die geplante Änderung von CISPR 22 und damit EN 55022 zur Lockerung der PLC Störgrenzwerte hin und schließt mit den Sätzen:

"Die Bundesnetzagentur wird außerdem die CEPT und die ITU-R über die künftigen Nutzungsbedingungen für Funkdienste im Kurzwellenbereich und die Gremien CISPR SC A (Messverfahren und Messgeräte) und H (Stör- und Kopplungsmodelle sowie Grenzwerte) über die weitreichenden Konsequenzen bei Realisierung des anhängigen Normungsprojekts informieren. Sie wird mit Nachdruck dafür eintreten, die Notwendigkeit einer gemeinsamen Betrachtung von Funkanwendungen und Frequenznutzungen im Kabel in den jeweiligen Organisationen zu fördern".

Das BMWi hatte mit seinem Entwurf zur Neufassung des EMVG bekanntlich versucht, die BNetzA ihrer Verpflichtung zum Schutz aller Funkdienste zu entledigen. Wäre das gelungen, könnten wir von der Behörde solches mit Sicherheit nicht lesen.

Bevor ich jetzt zum Inhalt des Annex komme, ein Hinweis: Ich habe einen sehr guten und intensiven Kontakt zu eben der Rechts- anwältin, die dieses Verfahren für ihre sehr renommierte Kanzlei im Auftrag der Klägerin gegen die BNetzA geführt hat, und
ich habe ihr selbstverständlich auch diesen Annex zur Beurteilung und für eventuelle Korrekturen gegeben, bevor ich ihn dem Petititionsausschuss zugestellt und als Teil meines "QTC DL" vom 24. Oktober 2007 veröffentlicht habe. Insofern darf ich wohl in Anspruch nehmen, daß es sich dabei um ein seriöses und durch Fakten abgesichertes Papier handelt. Und nun einige klärende Erläuterungen zum Inhalt des Annex und zu dem zugrundeliegenden Gerichtsurteil ...

Der Standpunk der Behörde zur VO Funk lautete bekannterweise immer sinngemäß etwa folgendermaßen: "Nein, die VO Funk,
dass war schon immer so, das machen wir schon seit Jahrzehnten so, also wir sind befugt die zu befolgen, aber ob wir sie wirklich befolgen oder nicht, da kann uns keiner reinreden ...". Diese absurde Art und Weise, wie sich die Behörde positioniert - als wäre 
sie Gesetzgeber - hat sie als Standpunkt selbst als Beklagte im Verfahren vertreten, indem sie in ihrem Antrag ausgeführt hat (Urteilstext, bei Randziffer 30):

"Es bestehe auch nicht die Pflicht alle international vorgesehenen Nutzungen zuzulassen, sondern nur die Befugnis dies zu tun und dementsprechend die Befugnis, bestimmte Nutzungen auszuschließen."

Doch das Gericht hat geurteilt, das dem eben nicht so ist, und so heißt es bei Rz. 47 und Rz. 84 ff.:

"Die wesentlichen planerischen Entscheidungen ergeben sich nach § 53 TKG aus der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung. Auf deren Grundlage ist nach § 54 TKG der Frequenznutzungsplan erstellt worden, der die weitere Aufteilung der Frequenzbereiche sowie Festlegungen zu den Nutzungen enthält.
Bei der Aufstellung dieser Pläne ist die Bundesregierung mit wenigen Ausnahmen an die internationalen Vorgaben der VO Funk gebunden."  

"Auf Grund des Zustimmungsgesetzes zur Konvention und Konstitution der ITU vom 2. Mai 2005, BGBl. II, S. 426, und 
§ 53 Abs. 1 TKG haben die internationalen Vorgaben Gesetzesrang, und der Verordnungsgeber war bei dem Erlass der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung nach § 53 Abs. 1 TKG daran gebunden. Vgl. BT-Drucksache 13/3609, 
S. 47f, BT-Drucksache 15/2316 S. 76; Wissmann (Kreitlow), a.a.O., Rdnr. 36 u. Fußnote 104."

"Bei der Aufstellung der Frequenzpläne besteht zwar ein Planungsermessen. Dies ist allerdings dadurch begrenzt, dass Einschränkungen der Frequenznutzung durch die Regulierungsziele und die rechtsstaatlichen Grundsätze wie Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit geboten sein und sachgerechte Gründe für die Einschränkung von Rechten vorliegen müssen."

Damit hat die Rechtsanwältin für ihre Klägerin das Verfahren gegen die beklagte BNetzA in der ersten Instanz gewonnen (11 K 572/07 und 11 K 572/07, Urteile vom 15.6.2007) und die zentrale Frage zur Verbindlichkeit der VO Funk hat das Gericht zu Gunsten der Klägerin beantwortet. Das Gericht hat nämlich im Verfahren klar gestellt, daß die VO Funk durch das deutsche Zustimmungsgesetz im nationalen Recht Gesetzesrang hat. Damit sind Legislative, Exekutive und Judikative an die VO Funk gebunden, müssen sie anerkennen und anwenden, und jeder Einzelne kann sich auf sie berufen - genau so wie es die Klägerin getan hat. Die von der BNetzA vertretene Auffassung, die Regelungen der VO Funk seien nicht verpflichtend, sondern räumten lediglich die "Befugnis" für die nationalen Verwaltungen ein, die VO Funk einzuhalten - oder auch nicht - ist also eine nicht haltbare Position. Tatsächlich ist das BMWi als Teil der Exekutive entgegen seinem absurden Selbstverständnis laut diesem Urteil eben keineswegs ermächtigt, selbst zu bestimmen, ob und wie es sich an die VO Funk im Rang eines deutschen Gesetzes halten will !

In dem Moment, in dem es ein deutsches Zustimmungsgesetz zur VO Funk gibt, gilt die VO Funk im Gesetzesrang innerstaatlich. Und zwar selbstverständlich in toto, und nicht etwa nur die Teile aus der VO Funk, an die sich die BNetzA später gerne halten möchte. Die Klägerin hätte daher sogar alleine auf der Grundlage des Frequenzbereichszuweisungsplans der VO Funk gegen die BNetzA klagen können, wenn es gar keine entsprechende nationale Verordnung gäbe - wenn also die Behörde nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, das zu konkretisieren und den Speilraum auszunutzen, der ihr bei der Frequenzvergabe von der VO Funk gewährt wird. Und nur eben letzteres darf mit dieser viel zitierten Ermächtigungsgrundlage im Zustimmungsgesetz gemeint sein, indem sie nämlich das BMWi dazu ermächtigt - und nur dazu ermächtigt - die Spielräume welche die VO Funk explizit bietet durch entsprechende Verordnungen auszunutzen ! So ist die von der Behörde erlassene Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung letztendlich nur eine interne Verwaltungsvorschrift die den geltenden Gesetzen, also auch der VO Funk, genügen muß.

Doch - man glaubt es kaum - dieses für unsere Belange so wertvolle Gerichtsurteil, das der DARC von mir wie auf dem Tablett präsentiert bekam, wird von Vorstand und juristischer Verbandsbetreuung nicht etwa publiziert und thematisiert. Nein, ganz im Gegenteil, es wird nicht nur ignoriert und unter den Teppich gekehrt, sondern sogar noch konterkariert, indem sie in ihrem "Leitfaden zur Amateurfunkgesetzgebung" (Auszug / Entwurfsstand August 2007) zur VO Funk nach wie vor den völlig absurden Standpunkt der Behörde vertreten:

 "[...] dass es sich beim zitierten Gesetzestext eben "nur" um eine Ermächtigung handelt. Ermächtigungsgrundlagen sind immer politischer Wille, das Gebrauchmachen davon aber Sache der zuständigen Behörden [...] Eine automatische Gesetzeskraft für den einzelnen Bürger der Mitgliedsstaaten besteht dadurch nicht. Vielmehr bemisst sich die innerstaatliche Geltung einer völkerrechtlichen Vereinbarung nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht des jeweiligen Landes. Im deutschen Recht bestehen keine aus der VO-Funk herleitbaren subjektiven Rechte einzelner [...]"

Und es kommt noch bunter, denn im "Protokoll zur Distriktsversammlung am 17. 11. 2007 in Aschau/Inn" des Distrikts Oberbayern ist als Teil des Berichts des EMV/U Referenten Harald Wickenhäuser, DK1OP, zu lesen:

Juristische Analyse des Offenen Briefs von DJ5IL an DARC and AGZ                 Offener Brief    als PDF-Dokument
Statement Utz Kehrer
Statement Jutta Wickenhäuser
Grundsätzlich wird die juristische Durchsetzbarkeit der VO-Funk auf nationaler Ebene in Juristen-Expertenkreisen bezweifelt bis verneint. Details an dieser Stelle würden zu weit führen. Insofern mögen die Äußerungen von Frau Hildebrandt auf der HAM Radio belastbar sein. Daß es diese Äußerungen bis dato nicht zum Nachlesen gibt, ist jedoch massiv zu kritisieren. Die beiden o.g. Statements sind juristisch weitgehend deckungsgleich."
 und weiter ...
 
"Juristische Analyse von "QTC DL" von DJ5IL
Statement Utz Kehrer
Die Allgemeingültigkeit der in o.a. Dokument gemachten Aussagen wird ebenfalls bezweifelt bis verneint, da es sich in diesem speziellen Fall um Richtfunk handelte.
Statement Jutta Wickenhäuser
Sinngemäß ist das zum "Offenen Brief" Gesagte gültig." 

Man muß sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Da behaupten Vorstand und juristische Verbandsbetreuung des
DARC sowie Analytiker aus "Juristen- Expertenkreisen" allen Ernstes, daß in der Bundesrepublik Deutschland eine Behörde
selbst entscheiden darf, ob und wie sie sich an Gesetze hält. Und sie maßen sich tatsächlich an, den durch Richterspruch bestätigten und zumindest bis auf weiteres vorbehaltlich eines abweichenden Urteils in nächster Instanz bestätigten nationalen Gesetzesrang der VO Funk zu leugnen. Und es wird von diesen Analytikern sogar ein vermeintliches Argument für den Zweifel
an der Allgemeingültigkeit dieses Urteils ins Feld geführt, daß es sich nämlich in diesem speziellen Fall um Richtfunk handle.
Meine Damen und Herren Analytiker, bitte zuerst gründlich nachdenken, bevor man so etwas zum besten gibt:
Eben diese Tatsache, daß es sich um Richtfunk handelt, unterstreicht den nationalen Gesetzesrang der VO Funk - wir dürfen nämlich davon ausgehen, daß sich dieser Richtfunk innerhalb der Grenzen Deutschlands abspielt und damit andere Mitglieder 
der ITU gar nicht betroffen sind. Die Konsequenz ist also, daß unsere Administration selbst dann an die internationalen Vorgaben
der VO Funk gebunden ist, wenn rein nationale Funkanwendungen betroffen sind !

Ich muß mich nun wirklich ernsthaft fragen, wie es sein kann, daß ein Gerichtsurteil, das für die Belange des Amateurfunkdienstes von so immensem Wert ist, von unseren Interessenvertretern im DARC auf derart arrogante Weise ignoriert wird - Nicht gelesen ? Nicht verstanden ? Bammel vor der BNetzA ? Klüngel mit der BNetzA ? Oder gibt es sonst noch irgenwelche möglichen Gründe ? Bisher haben es Vorstand und juristische Verbandsbetreuung des DARC leider kein einziges mal für nötig gehalten, sich mit mir
in Verbindung zu setzen oder in irgendeiner Form zu reagieren. Ich fordere den Vorstand des DARC nun hiermit auf, zu meinen Ausführungen konkret Stellung zu nehmen.
Das erwarte ich im übrigen auch von jenen Analytikern aus den "Juristen-Expertenkreisen".

Und um schließlich auf den eigentlichen Auslöser dieser Email zurück zu kommen, nämlich auf die Bedrohung der Funkdienste
durch eine geplante Änderung von CISPR 22 zugunsten von PLC, möchte meinem Ärger über die miserable und arrogante Informations- politik des DARC-Vorstandes Luft machen. Die von mir durchgeführte Informationskampagne wäre eigentlich 
Pflicht und Aufgabe des DARC im Interesse seiner Mitglieder und des Amateurfunkdienstes gewesen. Stattdessen hat er es bisher nicht für nötig gehalten, auch nur ein Wort zu dem Thema zu veröffentlichen.
Ich fordere hiermit den Vorstand des DARC auf, die Mitglieder umfassend und regelmäßig über CISPR 22 sowie über die Tätigkeit ihres (!) Repräsentanten Thilo Kootz, DL9KCE, im CISPR PLT Projekt Team zu informieren - so wie auch das PLC-Konsortium OPERA seine Projektpartner ausführlich informiert (http://www.ist-opera.org/drupal2/files/OP2_D30_v1%206.pdf) - und außerdem zu berichten, welche diesbezüglichen Aktivitäten der DARC unternommen hat bzw. noch unternehmen will und in welcher Weise er Einfluss auf die DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik) als nationales Komitee der IEC nimmt.

Wie vorbildliches Engagement und Informationspolitik in dieser Sache aussehen, kann der DARC übrigens bei der SARL
(South African Radio League) lernen: http://www.amateurradio.org.za/plcsarl.htm

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Karl Fischer
Amateurfunkstelle DJ5IL
Friedenstr. 42
75173 Pforzheim
Deutschland
Email: DJ5IL@cq-cq.eu
Website: http://cq-cq.eu

Von DJ5IL zur Veröffentlichung
freigegeben am 10.10.2008


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