Ein ganz normaler Fall von TVI
(von Peter John, DL7YS)
Na endlich! Nach zaehen, mehrjaehrigen Verhandlungen mit der Wohnungsbaugesellschaft war der Antennenvertrag endlich unter Dach und Fach.
Mein Herz huepfte vor Freude; endlich wieder qrv. Keinerlei Beschraenkungen durch den Vermieter, nur die eindringliche Ermahnung, mich im Stoerungsfall mit meinen Mitmietern (und das waren in unserem 14-geschossigen Wohnblock ueber 250 Mietparteien) guetlich ins Einvernehmen zu setzen. Sonst muesste man seitens der Gesellschaft nochmals ueber die Genehmigung nachdenken!
So ein Unsinn; mit meinen 100 Watt war BCI und TVI so gut wie ausgeschlossen.
Die Antennenanlage wurde errichtet, und so zierte unseren Wohnblock bald ein 3-Element-Beam nebst UKW-Langyagi. Die beiden Dipole waren flach ueber dem Dach gespannt und von der Strasse aus fast nicht zu sehen. Jetzt konnte ich nach Herzenslust QSO fahren. Das tat ich etwa eine Woche lang jeden Tag nach Feierabend und am Wochenende im weltweiten CQ-TVI-Contest in Phonie. Ueber 500 QSOs hatte ich schon gefahren, als es am Sonntag an der Haustuer klingelte. "Sie wuenschen?", fragte ich den etwas verlegen dreinschauenden Mann, der in Filzlatschen vor meiner Wohnungstuer stand. "Aeh, ja nun, ich haette da ein Problem." druckste er herum.
"Da weiss ich nicht ob ich Ihnen helfen kann; das haengt von Ihrem Problem ab," sagte ich froehlich. "Na, Ihnen gehoert doch die grosse Antenne auf dem Dach," platzte der Juengling heraus. "Seit die da oben ist, habe ich abends immer Stoerungen in meinem Fernseher; und jetzt am Wochenende fast den ganzen Tag." Das war es also. Ein eisiger Schreck durchfuhr mich. TVI, eine Horrorvision von Dutzenden gestoerter Mitmieter lief vor meinem geistigen Auge ab. "Na, so schlimm wirds schon nicht sein," hoerte ich mich sagen. "Ich seh` mir das mal an". Die Speichertaste wurde mit einer Testschleife geladen, der Sender lief, und wir fuhren mit dem Fahrstuhl in den 2. Stock, wo der Juengling ein 2-Zimmer-Appartement bewohnte. Sein Fernseher lief, und so schlimm fand ich das Bild gar nicht. Der rhythmisch flackernde Balken auf dem Gesicht des Nachrichtensprechers stoerte eigentlich kaum.
Nach 1 1/2-stuendigen Entstoerversuchen durch Abblocken, Abschirmen und Abschalten konnte der Juengling wieder (fast) ungestoert fernsehen. Nur im 2. Programm flackerte der Balken munter vor sich hin. Na gut, damit koenne er leben, meinte (glaubte) er. Eine Woche lang war Ruhe, obwohl ich weiterhin jeden Abend ueber die Kurzwellenbaender stromerte. Die aeltere Dame, die ich am Montag im Treppenhaus traf, wohnte im Erdgeschoss unseres Wohnblocks. "Entschuldigen Sie, aber die Radarantenne auf dem Dach, das ist doch Ihre, oder?". Nicht schon wieder dachte ich und sagte: "Ja schon, aber.....?". "Wissen Sie," sagte die gute Frau, "ich kann Sie naemlich hin und wieder in meinem Fernseher hoeren; aber nur im ersten Programm." Na grossartig; ich war gerade dabei, mir einige Argumente auszudenken, um der Frau das erste Programm auszureden, als unsere Nachbarin zu uns stiess. "Ach das ist ja gut, dass ich Sie treffe, aber ich glaube, dass Sie hin und wieder unsere mikroprozessorgesteuerte Waschmaschine ausser Tritt bringen. Neulich in der Nacht um 02.00 Uhr ging der Schleudergang los, und die Frischwasserbefuellung schaltete sich ein; wir haben 4500 Liter Wasser und Lenor aus der unter uns gelegenen Wohnung gepumpt. Der Spuk wiederholte sich uebrigens alle
2 1/2 Minuten.....". Ach du dickes Ding, schoss es mir durch den Kopf. Das war mein Meteor-Scatter-QSO mit der Expedition nach Market Spleen gewesen. "Kein Problem meine Damen, das werden wir alles entstoeren" sagte ich mit fester Stimme.
Der Rest des Tages war damit ausgefuellt den Fernseher im 2. Stock mit Staniolfolie auszulegen und die Steuerung der Waschmaschine unserer Nachbarn abzublocken. Zwischenzeitlich hatten sich noch weitere Mitmieter gemeldet,īdie die verschiedensten Stoerungen hatten. Im 7. Stock wurde beim Tunen auf 80m bei einem Mitmieter der Elektroherd abgeschaltet, dagegen hatte ich mit RTTY-Aussendungen auf 10m bei einer gewissen Frau Meisenzeisig im 12. Stock den Mikrowellenherd eingeschaltet. Dies war umso bedauerlicher, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Hamster der guten Frau in diesem an sich nuetzlichen Kuechengeraet verkrochen hatte. Insgesamt waren 34 Fernseher, 136 Radios, 26 Videorecorder 3 Toaster und eine Sonnenuhr von mir gestoert. Aber irgendwie lassen sich ja bekanntlich alle Probleme loesen. Die 6 Mitmieter, die am Abend die Sportschau sehen wollten, schickte ich zu dem Juengling in den 2. Stock, denn dort war ja das erste Programm ungestoert zu empfangen. Den Besitzern von gestoerten Waschmaschinen kaufte ich fuer 6500,- DM Wertmarken fuer den Waschsalon an der Ecke und fuer die video-gestoerten Mitbewohner liess ich im Erdgeschoss unseres Hauses ein Kino mit 220 Plaetzen einbauen. Dies war eher billig und kostete nur 450 000,- DM. Schlimmer war da schon der Fall eines Herrn Mueller-Luedenscheid der eine Maisonette im 13. Stock bewohnte.
Die allabendlichen SSB-Aussendungen von mir im 80m-Band bewirkten bei dem armen Mann einen Total-Reset seines Radioweckers. Dies hatte zur Folge, dass Mueller-Luedenscheid 14 Tage lang jeden Morgen verschlafen hatte und mit mehrstuendiger Verspaetung zum Dienst erschienen war. Er wurde gekuendigt, worauf ihn seine Frau verliess, seine Kinder nach Neuseeland auswanderten und seine Katze verstarb. Aber ich hatte Glueck im Unglueck; er (Mueller-Luedenscheid) ueberlebte alle 3 Selbstmordversuche, so dass ich mit maximal 2 Jahren auf Bewaehrung zu rechnen habe.
Der Rest der Geschichte ist schnell erzaehlt. Fuer die Mieter, deren Toaster gestoert war, bestellte ich jeden Morgen frische Broetchen beim Schlemmer-Party-Service, und fuer alle Kinder, die infolge TVI nicht mehr Sesamstrasse sehen konnten, liess ich einen Kindergarten bauen und engagierte 4 Kindergaertnerinnen. Um dies alles bezahlen zu koennen, beging ich 4 Bankueberfaelle, wurde 5 mal verhaftet und bekam 6 Jahre ohne Bewaehrung. Ich sitze jetzt, und mein Zellennachbar hat ein Transistorradio das den ganzen Tag dudelt. Irgendwie fuehle ich mich daher von meinem Nachbarn gestoert......
(aus dem DL - PR-Netz) |